Dr. Peter Schütt
Biographie
Julius Voegtli wurde am 29. März 1879 in der Schweizer Ortschaft Malters geboren. Seine künstlerischen Neigungen wurden schon früh von seiner Mutter, Josefine Haefeli, entdeckt und gefördert. Er erhielt eine umfassende professionelle Kunstausbildung an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel und der Akademie der Bildenden Künste München. Nach 1906 kehrte Voegtli in seine geliebte Heimatstadt Biel in der Südwestschweiz zurück und verließ diesen Ort nur selten, um sich künstlerisch inspirieren zu lassen. Hier spürte er die Ruhe der Landschaft und war fasziniert vom idyllischen Leben. Er schuf nicht nur zahlreiche Landschafts- und Stilllebenbilder, sondern malte auch viele Porträts in seinem unverwechselbaren Stil. Neben seiner Berufung als Kunstmaler hat sich Julius Voegtli immer wieder als Publizist engagiert und sich mit klaren Standpunkten in den in der Schweizer Landespresse ausgetragenen Streit der Meinungen eingemischt.
Julius Voegtli war ein umtriebiger, rastloser, tatkräftiger Künstler und Mensch, der sich schon früh den Ruf eines Wohltäters erwarb. Fast ein Vierteljahrhundert war er Mitglied des Gemeinderates der Stadt Biel. Er übernahm in dieser Zeit zahlreiche Ehrenämter, war aber auch im amtlichen Auftrag des Gemeinderates und der Stadtverwaltung tätig.
Voegtlis Weggefährten
Zu Voegtlis Künstlerkollegen gehörten Ferdinand Hodler, Fritz Mock, Giovanni Giacometti oder Ernst Morgenthaler. Zusammen mit seinen Weggefährten bildete Julius Voegtli die „Künstlerkolonie Hellsau“. In dem „Freienhof“ in Hellsau fand der künstlerische Austausch unter den Avantgardisten der Schweizer Malerei statt.
Hodler und Voegtli
Ferdinand Hodler war ein Künstler, der ähnlich wie Julius Voegtli, seiner Zeit voraus war. Sein Kunststil mit der freien Farb- und Formensprache und den auffälligen Umrisslinien, die geradezu Comiczeichnungen nahekommen, war für viele Kunstkritiker der damaligen Zeit zu progressiv. Hodlers symbolistische Figurenbilder, die häufig nackte und ekstatische Frauen und Männer zeigen, wurden als sittenwidrig verurteilt. Sein erstes bedeutendes Werk „Die Nacht“ aus 1889 sollte zunächst Teil der Ausstellung im Musée Rath in Genf sein. Kurz vor der Eröffnung wurde das Bild ausgeschlossen, da es zu skandalös war. Hodler mietete daraufhin einen Privatsaal und stellte das Bild gegen Eintritt aus. Mit diesem Privaterlös reiste er nach Paris, wo ihm für dieses Werk sogar eine Auszeichnung erteilt worden ist.
Hodlers Kunst lebt von der Vereinfachung und Größe. Seine Figuren wirken beseelt und strahlen gleichzeitig Leichtigkeit aus. Seine Werke sind einem Symmetrie-Konzept unterworfen, da er die Natur in parallelen Mustern organisiert hat. Der Parallelismus war sowohl in seinen Landschaftsbildern, Portraits und Historienbildern zu finden und wurde zu seinem prägnanten Stilmittel.
Dank einer Ausstellungstournee um 1911 herum durch große deutsche Städte wie Köln, Frankfurt am Main, Berlin und München wurden Hodlers Werke zu Sammlerlieblingen in der deutschen Kunstszene. Zunächst gefeiert, fiel der Künstler 1914 leider in die Ungnade der Deutschen. Grund hierfür war eine Protestaktion der Genfer Künstler und Intellektuellen gegen die Beschießung der Kathedrale von Reims durch die kaiserlichen Truppen, bei der Hodler ebenfalls unterzeichnete. Deutschland war entrüstet und berichtete in der Presse vom „Fall Hodler“. Kurze Zeit später wurde der Künstler aus deutschen Künstlervereinigungen ausgeschlossen und seine Werke wurden sogar abgenommen. Die Universität Jena versteckte ihr prächtiges Hodler-Wandbild hinter einer Holzvorrichtung. Für Hodler waren diese Ausgrenzmethoden völlig unverständlich, da er lediglich gegen einen Militärakt und nicht gegen die Deutschen selbst protestierte. Vier Jahre später verstarb der Künstler im Alter von 65 Jahren, in denen er über 2000 Gemälde geschaffen hat, an einem Lungenleiden. Seine Rehabilitation hatte er nicht mehr miterleben können.
Der Gasthof Freienhof in Hellsau war zwischen 1886 und 1918 als ein beliebter Rückzugsort die bedeutenden Künstler der damaligen Zeit bekannt. Zu der Künstlerkolonie gehörten Cuno Amiet, Giovanni Giacometti, Hans Morgenthaler, Ferdinand Hodler, Julius Voegtli und viele mehr. Die aufstrebenden Künstler hatten das Malen in „verstaubten und verdunkelten“ Ateliers leid und suchten die Inspiration in der Natur. Und so entstanden nicht nur Landschaftsbilder, wie bei den benachbarten, französischen Impressionisten, sondern es galt den Menschen als Teil der Naturbetrachtung mit in die Komposition einzubetten.
In der Künstlerkolonie von Hellsau tauschten Ferdinand Hodler und Julius Voegtli gern Ideen unter Gleichgesinnten aus. Julius Voegtli schätzte Hodler sehr. Dies wird besonders bewusst, wenn man den Artikel aus der Bieler Tageszeitung von 1913 liest. Hodler wurde angefeindet und aus vielen Künstlervereinigungen verbannt. Voegtli ließ die Anfeindung nicht auf sich ruhen und verfasste einen Artikel, um den Malerkollegen wertschätzend aus der Schusslinie zu bringen. Gerade die fortschrittliche und mutige Art, die Hodlers Kunst ausmacht, lobt Voegtli in hohen Tönen. Jene, die die Kunst nachahmen, verachtet er. „Hut ab vor Hodler, dem Genius, Kampf aber, bis aufs Messer, dem sich genial gebenden, mit fremden Federn geschmückter Nichtskönnertum!“
Kurz vor dem „Fall Hodlers“ hatte Julius Voegtli eine gemeinsame Kunstausstellung mit Ferdinand Hodler in der Bieler Galerie bestritten. In dieser Zeit sind die beiden Künstlerkollegen intensiver aufeinandergetroffen. Es liegt da nah, dass es in Voegtli gebrannt hatte, sich zu der Negativpresse Hodlers zu äußern und seine Verehrung der breiten Masse herauszuposaunen.
„Wenn eine neue Richtung in er Kunst auftaucht, so mutet sie zuerst immer fremd an, denn sie trägt neue Elemente in die gewohnte Kunst hinein, oder verwendet alte so, dass sie neu erscheinen. Der Beschauer braucht dann etwas guten Willen und muss sich einige Mühe geben, wenn er zum Verständnis von Kunstwerken kommen will, die einer solchen Richtung angehören. Er wird sich für seine Mühe belohnt sehen, wenn die Kunstwerke wirklich etwas taugen und wird in ihnen immer neue Schönheiten entdecken.“
Zitate von Julius Voegtli
„Parallelismus nenne ich jede Art von Wiederholung. So oft ich in der Natur den Reiz der Dinge am stärksten verspüre, ist es immer ein Eindruck von Einheit.“
„Setzen sich ein paar Leute, die derselbe Zweck zusammenführt, an einen Tisch, so können wir sie als Parallelen auffassen, die irgendwie eine Einheit bilden, etwa als Blätter einer Blume.“
Zitate von Ferdinand Hodler